Was für Namen waren gehandelt worden als Nachfolger von Ottmar Hitzfeld: Der Ex-Chelsea-Mann José Mourinho, mehrfacher Meister und Pokalsieger. Exzentrisch. Guus Hiddink, Holländer, Weltenbummler, erfolgreich mit diversen Nationalmannschaften und derzeit in Russland tätig. Oder dessen Landsleute Marco van Basten und Frank Rijkaard. Oder Rafael Benitez, der Spanier, vertraglich an den FC Liverpool gebunden. Oder Arsene Wenger, der Franzose, immer gerne genannt, wenn der Trainerposten bei einem Top-Verein vakant ist. Oder Sven-Göran Eriksson, der Schwede.
WM-Fußball mit Emotion
Es wird kein Schwede, kein Franzose, kein Portugiese, kein Spanier und auch kein Holländer, sondern ein Deutscher: Jürgen Klinsmann. Diese Verpflichtung ist spektakulär, aber sie passt, sie elektrisiert sogar. Warum? Weil Klinsmann mit der Expertise antritt, ein insgesamt mittelmäßig besetztes Team 2006 bis ins Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft geführt zu haben. Unvergessen sind die Einblicke, die die Fußballnation in die Tätigkeit des Nationaltrainers nehmen durfte: In Sönke Wortmanns Film „Deutschland – ein Sommermärchen“ brüllte der Blondschopf Ballack und Co. zu ihren Erfolgen: Unter anderem ein furioser 4:2-Auftaktsieg gegen Costa Rica, ein hart umkämpftes 1:0 gegen Polen, ein 2:0 gegen Schweden mit einer der spielerisch brillantesten Halbzeiten, die je eine deutsche Nationalmannschaft zustande gebracht hat. Dann das dramatische Halbfinale gegen Argentinien, als Deutschlands Elfmeterschützen die Nerven behielten und auf den Spickzettel von Strafstoß-Töter Jens Lehmann vertrauen konnten.
Deutschland schaffte es ins Halbfinale und holte, wiederum in einem wunderbaren Spiel, Platz drei gegen Portugal – und verabschiedete sich am Sonntag danach vor einem Millionenpublikum am Brandenburger Tor. Es war ein Sommermärchen.
Alle diese Emotionen werden die Bayern-Vorstände Karl-Heinz Rummenigge, Karl Hopfner und Uli Hoeneß im Herzen bewegt haben, weil Emotionen wichtig sind im Fußball. Sie setzen Begeisterung und Energie frei beim kickenden Personal – Voraussetzung für sportlichen Erfolg.
Neben Hingabe war akribische Arbeit die zweite Säule der Ära Klinsmann. Der Wahl-Kalifornier führte moderne Trainingsmethoden ein, individualisierte die Übungseinheiten und machte sich zusammen mit seinem damaligen Co-Trainer Joachim Löw – der ihn als Bundestrainer konsequenterweise beerbte – und Manager Oliver Bierhoff zum Motor des deutschen Fußballs. Das gefiel nicht jedem Verein, und auch die Münchner polemisierten immer wieder heftig gegen Klinsmann-Entscheidungen, aber offenbar erwarb sich der ehemalige Stürmer gleichzeitig den Respekt der Bayern-Macher.
Erste Vereinsstation für Klinsmann
Jürgen Klinsmann, den eine seiner zahlreichen Stationen als Spieler auch zum FC Bayern geführt hatte (31 Tore in 65 Spielen 1995-1997), ist eine konsequente Wahl des FC Bayern. Klinsmann steht für Weltoffenheit und neue Trainingsideen und für die Fähigkeit, seine Spieler zu motivieren. Was braucht ein Trainer mehr? Er sollte deutsch sprechen können – was beim FC Bayern nach dem traumatischen Experiment mit dem Italiener Giovanni Trapattoni („Was erlauben Strunz? Spielen wie Flasche leer“) als Quasi-Voraussetzung gilt.
Potenzial für den Durchmarsch
Klinsmann hat allerdings seine eigenen Vorstellungen. Als Spieler wechselte er oft den Verein, wenn ihm ein anderer Club erfolgversprechender für die Zukunft erschien. Zu seiner Zeit als Nationaltrainer brauchte er immer wieder Auszeiten in Huntington Beach, wo er im Haus am Meer abschalten konnte vom deutschen Rummel. Diese Distanz wird Klinsmann in München nicht mehr haben. Er wird beim Rekordmeister seine erste Station als Vereinscoach antreten. Und dabei findet er einen Kader vor, der spielerisch deutlich höher einzustufen ist als die deutsche Nationalmannschaft anno 2006. Es könnte für Jürgen Klinsmann und den FC Bayern eine gute Zeit werden. Vielleicht eine Zeit, in der das Bonmot von Manager Honeß, die Konkurrenz möge seinen Verein „mit dem Fernrohr“ an der Tabellenspitze anschauen, wahr werden könnte. Zumindest lässt die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann die Sehnsucht der Bayern-Bosse danach erahnen.
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